Vierte Sinfonie Des-Dur

 Erster Satz

 Du Wei beschreibt hier einen Tagesausflug im Frühling mit ihrem Freund Liu Shikun in der Nähe von Peking. Er beginnt mit einem Spaziergang durch einen Park mit angrenzendem Wald an einem kleinen Bach entlang. Das Ufer des Bachs ist üppig bewachsen mit Kräutern und blühenden Wildblumen. Über dem Bach flirren im hellen Sonnenlicht zahlreiche Libellen mit buntschillernden Flügeln. Das Glockenspiel gleich zu Beginn des Satzes mit seinem silberhellen Klang assoziiert in uns das Bild der Libellenflügel über dem Wasser.

Takt 3-11 leitet ein in die enthusiastische Freude der beiden über die bunte Farbenpracht der Wildblumen und der blühenden Bäume. Du Wei sieht die bunten Fische im glasklaren Wasser des Bachs, wie sie miteinander spielen. Wir spüren den tiefen Seelenfrieden, die sie angesichts des grünen Paradieses empfindet. Sie eilt von Blatt zu Blatt, von Blume zu Blume, berührt Blüten und Blätter und erfährt ein unbeschreibliches Glücksgefühl, eins zu sein mit der unsterblichen Natur (Takt 12-35). Während beide den Park verlassen und den Wald betreten, hört sie den vielfältigen Vogelgesang und schaut dem Spiel der Eichhörnchen und kleinen Äffchen mit Freude zu (Takt 36-134). Dann lichtet sich der Wald und öffnet sich zu einem großen Panorama mit einem See (Takt 135-138). Du Wei sieht, dass sich im Westen der Himmel verdunkelt hat. Fernes Wetterleuchten erhellt die dunkelblaue Wolkenwand (Takt 140-163). Vor dem drohenden Unwetter gewarnt, suchen beide einen kleinen Unterstand. Plötzlich fallen dicke Regentropfen und prasseln auf das Dach der kleinen Hütte (Takt 164-188). Als sie beide gerade gehen wollen, bricht ein Regensturm herunter (Takt 189-214).

So schnell, wie der Wolkenbruch losgebrochen ist, so abrupt endet er. Die dunklen Wolken sind abgezogen und die Sonne scheint wieder vom blauen Himmel. Das Leben im Wald beginnt sich wieder zu regen. Vielfältiger Vogelgesang und hin und her springende Waldbewohner, bunte Vögel, kleine Äffchen und Eichhörnchen, erfüllen ihre Seele mit Freude (Takt 215-262).

Nun sind schon wieder einige Stunden vergangen. Der Himmel im Westen beginnt, sich gelb zu färben. Nun begeben sich beide auf den Heimweg. Der Tag wandelt sich zur Abendruhe (Takt 263-303). Der Wald lichtet sich und sie betreten in der Abenddämmerung wieder den Park, den Ausgangsort ihres ausgedehnten Waldspaziergangs und Wei kommt bei Anbruch der Dunkelheit nach Hause (Takt 304-320).

Ein Traum von einem Tag wie der Traum von einem Leben, das sich Du Wei immer für sich erträumt hat, der aber nie für sie in Erfüllung gegangen ist.

 

 

 

Zweiter Satz

Hier beschreibt Du Wei ihre Reise zu Beginn der Kulturrevolution mit ihrem Bruder zu ihren Verwandten nach Sichuan. Die Vorbereitungen für die lange Fahrt und eine gewisse Aufgeregtheit und die halbfreudigen, halbängstlichen Gefühle, die Reise ganz allein als Siebenjährige mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder anzutreten und der Stolz, den sie empfindet, dass man ihr die lange Reise ganz allein zutraut, kommen zum Ausdruck. Aber auch ihr pochendes Herz ist nicht zu überhören, als sie in Begleitung ihrer Mutter dann zur Haltestelle des Busses geht, der sie zum Bahnhof bringen soll (Takt 322 bis Takt 326).

Als sie dann zu dritt im Bus dem Bahnhof entgegenfahren, beruhigt die Mutter sie mit dem Versprechen, dass sie bald wieder nach Hause zurückkehren würden. Doch Du Wei will ihrer Mutter nicht so recht glauben. Zu oft hat sie ihre Versprechen nicht halten können. Aber eine Zuversicht wächst in ihr heran: die Zuversicht, auf dem dörflichen Land viel mehr Natur erleben zu können, als im grauen Peking. Die Harfen spiegeln ihre Vorfreude auf die Natur und auf ein entsprechendes Leben auf dem Dorf ihrer Verwandten wieder (Takt 337-385).

Du Wei steht schließlich im Zugabteil und winkt ein letztes Mal ihrer Mutter auf dem Bahnsteig zu. Die Dampflok stampft los, die Fahrt beginnt (Takt 386-430), vorbei an Reisfeldern und kleinen Dörfern.

Als die Bahn die Strecke von Xian nach Chongjing entlang fährt, ändert sich die Landschaft allmählich. In dem fernen Dunst reckt sich ein blaues Gebirge hoch auf. Und als sie an den endlosen Reisfeldern entlang fährt, glaubt sie im ersten Moment, dass die Pflanzen in Flammen stehen. Dann erst sieht sie an einigen Brachstellen, an denen sie vorübereilt, dass der Boden rot geworden war.

Der Zug hält im Bahnhof von Chongjing. Hier muss Du Wei und ihr Bruder aussteigen und auf eine Bummelbahn umsteigen. Sie fährt nach Langzhon. Nach einer längeren Busfahrt heißt es aussteigen am Rande eines Waldes. Ein sonniger Fußweg führt zum nächst gelegenen Dorf. Mit einer kleinen Gruppe mit dem gleichen Ziel macht sie sich mit ihren beiden schweren Koffern, vom Staub rot gefärbt, in die ihre Mutter viele Geschenke für die Verwandten gepackt hat und ihrem Bruder mit seinem kleinen Koffer auf den Weg durch den Bambuswald. Voller aufgeregter Erwartung spürt sie kaum das schwere Gewicht der Koffer. Ihre Kleidung und ihre Koffer sind ebenso vom Staub rot gefärbt. Sie findet das lustig. Sie erlebt die Ursprünglichkeit der Natur, das lebendige Treiben hoch oben in den Bambusstauden, Vögel, die ihre Melodien durcheinander singen, springende Äffchen und anderes Kleingetier, die den Bambuswald beleben. Du Wei ist glücklich und spürt: endlich frei! (Takt 432-478). Die Gruppe kommt in ein kleines Dorf. Auf dem zentralen Dorfplatz wartet schon ein klappriger Lastwagen. Auf seiner Ladefläche sind Sitzbänke montiert. Die Gruppe zusammen mit Du Wei und ihrem Bruder besteigen die Ladefläche und nehmen auf den Pritschen Platz. Die rumpelnde Fahrt auf unbefestigter Straße beginnt (Takt 479-522). Zwischen den Bäumen glitzert immer wieder der Jinglin Juang- Fluss im hellen Sonnenlicht. Es ist der gleiche Fluss, der sich auch unweit des Dorfs ihrer Verwandten entlang zieht. Wieder ein kleiner Bahnhof. Ein Regionalzug mit viel kleinerer Lokomotive und sehr einfachen Waggons mit Holzbänken wartet schon dampfend.

Du Wei steigt mit ihren beiden Koffern und ihrem Bruder zusammen mit einigen Bauern und Landarbeitern in einen Waggon ein und los geht die Fahrt ( Takt 523-568). Endstation ist ein kleiner Bahnsteig. Du Wei steigt mit ihrem Bruder aus. Sie sind von purer Natur umgeben. Der Fluss windet sich, jedoch schon merklich kleiner geworden, immer noch zu ihrer Rechten entlang des Weges zum Dorf ihrer Verwandten. Alle sind gelöst und froh, ist doch das Dorf ihrer Tante nun ganz in der Nähe. Ein kleiner Trampelpfad entlang des Flusses. Alle reden fröhlich durcheinander. Jemand nimmt Du Wei einen Koffer ab. Es erscheint ihr beinahe wie ein Schulausflug in die Berge nahe Pekings, den sie immer gern mit dem Lehrer und ihren Mitschülern unternommen hatte (Takt 569-574). Plötzlich stellt sich den Reisenden eine Horde von jungen Leuten entgegen – die Pioniere der Kulturrevolution (Takt 575-583). Es gelingt den älteren Leuten, die Du Wei zum Dorf begleiten, die junge Horde zu beschwichtigen, die dann abziehen (Takt 585-589).

Da sieht Du Wei die ersten Hütten des Dorfs durch die wildwuchernde Wildnis hervortreten. Das ganze Dorf ist auf den Beinen. Du Wei geht bis zum Dorfplatz und alle Leute winken ihr zu, sind fröhlich und lachen. Ihre Tante, ihr Onkel und die Cousins und Cousinen erwarten sie schon. Du Wei wird herzlich umarmt und sogleich in ein stattliches Haus geleitet. Die Tante hat ihr zu Ehren ein Festmahl angerichtet. Später nach dem Essen muss Du Wei einen traditionellen Tanz aufführen. Zum Dank erhält sie kleine Geschenke (Takt 591-690).

 

 

Dritter Satz

In den nächsten Tagen lernt sie unter den Kindern ihrer Verwandten viele neue Spielkameraden kennen, die im gleichen Alter sind, wie Du Wei. Ihrer großen Freude darüber und über ihre neu gewonnene Freiheit, keine fordernde Schule, kein Klavierunterricht, verleiht in den Takten 622-640 ihr jubelnde Herz und Seele ihren Ausdruck.

Die ausgelassenen Spiele und ihre Erlebnisse in der Natur mit den anderen Kindern beschreibt sie in den Takten 641-700. Ein erstes Dorffest, auf dem sie im traditionellen Kostüm mittanzen darf, bereitet ihr viel Freude (Takt 701-704).

 

Vierter und fünfter Satz

Der erste Enthusiasmus von Du Wei auf dem Dorf ist einem ruhigeren Tagesablauf gewichen.

Vormittags hilft sie im Haushalt ihrer Tante. Nachmittags trifft sie sich abwechselnd mal mit diesem oder jenem Kind, um zu spielen oder spazieren zu gehen (Takt 711-761). Ganz besonders hat sie ihren etwa zwei Jahre älteren Cousin in ihr Herz geschlossen. Mit ihm unternimmt sie Bootsfahrten auf dem nahen Fluss oder sie sieht ihm beim Fischfangen zu (Takt 762-809).

Sie hat unter den Kindern im Dorf besonders hinsichtlich des Alters eine gewisse Auswahl getroffen. Es bleiben nur einige etwa gleichaltrige Kinder mit denen sie engen Kontakt pflegt.

Inzwischen ist ein Jahr vergangen. Für Du Wei bedeutet das den Abschied von den netten Leuten im Dorf. Sie hat Nachricht bekommen, dass sich die Situation in Peking entspannt hat und ihr Vater aus der Zwangsarbeit entlassen wurde. Sie hat schon Sehnsucht nach ihren Eltern. Aber zunächst, sozusagen zu ihrem Abschied, soll wieder ein Dorffest stattfinden. Dieses Mal soll es etwas ganz Besonderes werden. Ein Tanz-und Gesangslehrer reist extra an und soll die Volkstänze und Gesang eines Chors organisieren und einüben. Auch Einzelsolisten soll er anleiten. Eine der begabten kleinen Sängerinnen ist Du Wei (Takt 810-821). Das Volksfest beginnt und das Herz von Du Wei schlägt aufgeregt (Takt 822-862).

Der Tag des Abschieds von ihren Verwandten ist gekommen. Mit ambivalentem Gefühl steigt sie wieder in die kleine Landbahn und winkt mit Tränen in den Augen den Zurückbleibenden zu. Diesmal geht die Fahrt gleich nach Chongjing. Etwa 300 km Fahrt liegen vor ihr. In Chongjing steigt sie in die Fernbahn nach Beijing. Diesmal soll die Reise schneller gehen, weil ein moderner Elektrotriebwagen den Zug zieht (Takt 863-913). Das große Gebirge verschwindet am Horizont und der Zug rast wieder im flachen Land mit kurzem Aufenthalt in Xian auf Beijing zu.

Die monotone Fahrt über Land macht Du Wei müde. Sie schläft ein (Takt 914-972). Erst die Ansage „Beijing zung zan daula, Shing daja zatse“[1] reißt sie aus ihren Träumen. Mit ihrem Bruder und noch immer rot bestäubten beiden Koffern steht sie an der Bushaltestelle. Sie steigen in den Bus und freuen sich auf ihre Eltern (Takt 914-972). Ihr Weg von der Bushaltestelle bis nach Hause und der freudige Empfang durch ihre Eltern bilden den Abschluss (Takt 973-985).

 

Sinfonie Nr. 4 Des-Dur ------------32´50”

 

         Erster Satz: Andante -------------------------------14´13”

 

         Zweiter Satz: Andantino --------------------------- 8´55”

 

         Dritter Satz: Allegretto -----------------------------2´05”

 

         Vierter Satz: Moderato Espressivo---------------5´36”

 

         Fünfter Satz: Moderato Espressivo---------------1´57”

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[1] Hier ist Peking. Bitte alle aussteigen

Du Wei- Sinf Nr 4 Des-Dur- 5. Satz-Moderato Espressivo.mp3

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