Dritte Sinfonie in C Moll

Die ersten Arbeiten zur dritten Symphonie begann Du Wei in einer Phase extremer Lebensunsicherheit zu Beginn des Jahres 2006. Nachdem sie sechzehn Jahre bei ihrem Freund, der ihr alle die Jahre hindurch Sicherheit und Existenz in der gemeinsamen Wohnung in Charlottenburg gegeben hatte, wohnte, war sie aus eigenem Entschluss nach dramatischen Umständen in eine Wohnung in Berlin-Schmargendorf umgezogen.

 

Sie war in ihrem kindlichen Glauben fest davon überzeugt, dass nun die Zeit gekommen war, in der sie im Grunde unvorbereitet,  gezwungen wäre, auf eigenen Beinen stehend nun die neue Zukunft ohne ihren Partner bestehen zu müssen. Die Panik, in die sie geriet und die Umstände, die damit verbunden waren, gehören zu den schmerzhaftesten Gefühlen, die es überhaupt im Leben von Du Wei gab.

Die ersten Takte der dritten Sinfonie vermitteln die zutiefst verletzte Seele von Du Wei, einer Seele eines kleinen Mädchens, das verschlagen in der Fremde, bereits in einem mittleren Lebensabschnitt ohne Hoffnung und Lebensperspektive sich befindend, nun ganz von vorne anfangen muss, ihr Leben neu zu ordnen.

Aber bald darauf wird sie erfahren, dass ihre Befürchtungen und ihre Panik unbegründet sind. Ihr alter Freund steht vor ihr und bekräftigt ihre Hoffnungen: „Solange ich lebe, kümmere ich mich um dich.“

Unendlich erleichtert setzt sie die Komposition der dritten Sinfonie fort. Sie weiß sich aufgefangen durch die unbedingte Verpflichtung ihres Freundes, ihr durch alle Höhen und Tiefen des neuen Lebens zu begleiten. Sie vertraut ihm und gewinnt wieder Lebens-Sicherheit und -Freude zurück.

 

Später wird sie sagen: „Erst in der neuen Wohnung, ganz für mich allein, habe ich die Ruhe gefunden, meine Kompositionen aufzusetzen. Meistens habe ich nachts am Keyboard gesessen und komponiert. Es war wirklich ein Gewinn für mich, ohne Störung arbeiten zu können.“

 

Erster Satz

Die ersten Takte der dritten Sinfonie lassen den Zuhörer eine angsterfüllte Stimmung erfahren. Dazu tragen Oboe und Klarinette in Tenuto bei. Die Aussage der Hilflosigkeit und der Spannung werden dadurch zusätzlich verstärkt. Durch nachfolgende Abbreviatur der Streicher und dem Stakkato der Bläser wird ein unauflösliches Spannungsfeld erzeugt. Die klagenden Holzbläser lassen ein hoffnungsloses Schicksal erahnen. Ab Takt 29 wird die gegenwärtige Situation manifestiert, kein Hoffen mehr, melancholischer Fatalismus herrscht vor.

Eine tiefe Traurigkeit lässt Du Wei ab Takt 54 anklingen. Eine typisch russische schwermütige Tonalität entwickelt sie dort. Man wird an die spätromantischen melancholischen Kompositionen von Rachmaninow erinnert. Aus den nachfolgenden Passagen vermeint der wissende Zuhörer eine fatalistische resignierte Zeit heraus hören zu können. Eine Resignation, mit der sie sich aber letztlich nicht abfinden will.

Ab Takt 152 spürt man den Umschwung ihrer Gedanken zu einer entsetzlichen Panik, die ab Takt 156 bis Takt 168 gleichsam Alarmsignalen in ihr Gemüt hämmert.

Der plötzliche Umschwung zur wohltuenden Entspannung tritt zu dem Zeitpunkt ein, an dem Du Wei wahrnimmt, dass alle dunklen Wolken ihrer Befürchtungen sich zurückgezogen haben und einen strahlend blauen Himmel der Zuversicht freigegeben haben. Der Zuhörer erfährt dies beinahe physisch ab Takt 169.

Jener, der mit Fantasie gesegnet ist, kann sich die anrührende Szene gut vorstellen, wie das kleine Mädchen Du Wei, das sie ihr Leben lang im Grunde genommen immer geblieben ist, fröhlich und ausgelassen mit ihrem großen dunkelbraunen Teddybär, der ihren Vater symbolisiert, in ihrem Zimmer im Kreise herumtanzt.

 

Danach folgt eine Nachverarbeitung der Schreckensempfindungen, gleichsam wie eine milde Erinnerung an den dramatischen Beginn des ersten Satzes bis Takt 210.

Ab Takt 211 setzt eine Wiederholung des Themas vom Anfang ein, jedoch mit weniger Ernst und auch mit einem leisen Augenzwinkern. Eine Dramatik, die jedoch nur noch in der Erinnerung Bestand hat und der Du Wei eine lange Nase macht.

Ab Takt 235 kommt wieder Zuversicht in ihre Willenskraft und sie schöpft Hoffnung.

Ab Takt 283 spürt sie den Antrieb, an Neuem zu arbeiten, wenn schon zwar mit zusammengebissenen Zähnen.

Ab Takt 298 tritt die vernünftig überlegene Phase ein. Eine beruhigende und mit wohlüberlegten Gedanken. Harfe und Bläser spielen ein Spiel ihres verirrten Verstands. Beinahe-Disharmonien spielen herein bis Takt 361.

 

Ab Takt 362 gewinnt wieder die Vernunft und Hoffnung die Oberhand. Du Wei ist im gedanklichen Zwiegespräch mit ihren Eltern. Sie schildert dramatisch ihre Angst und Befürchtungen, die sich bis Takt 383 noch steigern. Ab Takt 386 erhält sie beschwichtigende und beruhigende Antwort: du lebst noch und solltest dein Leben sinnvoll der Musik widmen.

Sie antwortet ab Takt 391: ja ich will ja aber… Doch da kommen wieder bedrohliche Befürchtungen, besonders im Takt 394. Ab Takt 395 bis

Takt 433 kommen Verwirrung und Unsicherheit wieder zur Geltung, die bisweilen durch Dissonanzen verstärkt ausgedrückt werden.

 

Ab Takt 434 bekräftigt sie jedoch ihren Entschluss, weiter unbeirrt auf ihrem Weg weiterzugehen, auch mit dem Mut der Verzweiflung, sich selbst antreibend, weder links noch rechts zu sehen, mit strengem Fatalismus bis zum Finale.

Die Schlusssequenz beginnt mit Takt 434. Eine der interessantesten Sequenzen der dritten Symphonie. Durch abwechseln von Akkorden mit halben und darauffolgenden 2/4-Akkorden entsteht eine stakkatohafte Führungsrhythmik, die begleitet durch Fagott, Kontrafagott, den Violinen sowie Bratsche und Kontrabass mit minimalen Halbtonänderungen zu einer Pseudo-Begleitmelodie werden, die dem gesamten Vortrag zu einer außerordentlichen Dynamik verhelfen, die den Zuhörer in den Bann schlägt. Ein genialer Einfall und sauber durchgeführt, der die kompositorische Begabung von Du Wei in ihrer vollen Entfaltung zeigt.

Zweiter Satz

Er beginnt in Piano mit melancholisch resignierenden Tonfolgen, die die momentane seelische Verfassung von Du Wei ausdrückt: Nachtgedanken, die ihre scheinbare Ausweglosigkeit ihrer Situation ausdrücken, sozusagen ein eingebettetes Nocturno. Wenig später wird das durch das klagende Englisch-Horn dramatisch verstärkt. Allmählich flaut das schwere Gefühl der Verzweiflung ab, das sich ab Takt 515 zu einem mit beruhigender Harfenbegleitung im Gleichklang mit dem Streicherensemble stärker werdenden neuen Realitätsbewusstsein erweitert, um ab Takt 523 zu einer allmählich zuversichtlichen tröstenden Weltsicht zu gelangen. Ab Takt 551 gewinnt die Zuversicht mit dem Zusammenklang zwischen dem Streichern und der Harfe endgültig Oberhand. Die nun folgende fröhliche Melodie, die sich bald entwickelnd durch die hohen Töne der Flöte und Oboe untermalt werden, gerät zu einem halb zweifelnden, halb zuversichtlichen Zwischenspiel, das aus dem vom Takt 610 beginnenden laut aufspielenden Wendung alsbald eine Fantasie der ausgemalten Möglichkeiten wird, die sich ab Takt 614 zu einer enthusiastischen Serenade auftürmt.

 

Ab Takt 628 kippt das düstere Stimmungsbild, diesmal durch aufmunternde Begleitung des Englisch-Horns ins fast Fröhliche.

Abrupt sticht der gefürchtete Abgrund ihrer Existenz ab Takt 687 mit allen Instrumenten laut in ihre Träumereien ein, ein Gewitter von Ängsten bricht mit Forte über sie herein. Diese währen jedoch nicht lange und werden mit der ab Takt 692 folgenden Sequenz im Zaum gehalten, wohl wissend, dass ihre schlimmsten Befürchtungen wohl nicht eintreffen werden, weil sie nicht allein ist und durch den Beistand von gutmeinenden Freunden immer wieder aufgefangen wird.

Die darauffolgenden Ausführungen spiegeln den unbekümmerten kindlichen Glauben, dass nicht alle dunklen Wolken, die sie zu umgeben scheinen, tatsächlich vorhanden sind und eine Zuversicht greift Platz, die mit hochschwingenden Streichern und Holzbläsern, allen voran das Englisch-Horn eine kindliche Unbekümmertheit offenbart, deren Charme man sich nur schwer entziehen kann.

 

Dritter Satz

Ein deutlicher Stimmungsumschwung hin zum Ende der in den vorigen Sätzen ausgedrückten Melancholie erklingt gleich mit den ersten Takten. Wir erleben hier ein kleines Mädchen, das die von ihr nun real empfundene Situation auf lebhafte Weise lustig mit Harfenspiel begleitend reflektiert.

Ab Takt 836 erleben wir eine schwungvolle Entspannung der Seele mit teils getragen gespielten Streichern. Ein weiterer Höhepunkt ab Takt 836 wirkt beruhigend auf die Zuhörer und macht gleichzeitig bereit für eine äußerst lebhaft vorgetragene Sequenz ab Takt 855. Dort beginnt eine scherzhafte Burleske, die sich bis Takt 905 steigert.

Ab Takt 906 wiederholt sich das melodramatische Thema vom ersten Satz, jedoch nur als Erinnerung an die gefühlte Traurigkeit. Dies wird jäh unterbrochen durch Takt 978, ab dem alles nur als Traum aufgefasst und auf das wahre Leben mit den rebellierenden Streichern und Holzbläsern ausgedrückt wird.

Ab Takt 986 werden sogar die vorher melancholischen und traurigen Passagen persifliert und ins Absurde geführt.

Ab Takt 1008 beginnt eines der interessantesten Passagen, die eine stakkatohafte Wiederholung und als spielerische Variante der bereits gespielten Melodie im ersten Satz aufgefasst werden kann. Eine meisterhafte Variation, die den Zuhörer in seinen Bann schlägt.

Ab Takt 1071 kommt extensiver Ausdruck hinzu. Wir erleben die rasante Zwiesprache zwischen Holzbläsern und Streichern und freuen uns an der lebhaften Dynamik bis zum furiosen Ende.

 

Sinfonie Nr. 3 c-Moll

 

  1. Satz– Moderato-------------------------16´36”

 

  1. Satz–Adagio-----------------------------18´42”

 

  1. Satz– Allegro Scherzando-------------16´09”

Du Wei- Sinf Nr 3 C-Moll- 2. Satz-Adagio.mp3

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