Sinfonie Nr, 12 a-Moll

Als Du Wei im Spätherbst 2013 beginnt, die Sinfonie zu schreiben, hat sie die große Operation Ende 2012 in der Charité, die Angst und die Schmerzen zwar nicht vergessen, jedoch so weit wie möglich verdrängt. An die geänderten Lebensbedingungen hat sie sich mit einiger Routine angepasst. Aber je näher das Jahresende herannaht, umso schlechter fühlt sie sich. Denn der Krebs ist rezidiv. Du Wei leidet wieder unter unerträglichen Schmerzen. Sie kann vor Schmerz kaum noch laufen. Und als ob dies noch nicht genug wäre, stellt sich bei einer Konsultation einer internistischen Praxis Anfang 2014 durch eine Röntgenuntersuchung heraus, dass der Krebs auf ihre Knochen übergegriffen hat und den Knochen schon teilweise aufgelöst hat. Anfang 2014 kommt sie zusammen mit ihrem Freund in die Charité. Dort eröffnet man ihr die schreckliche Wahrheit: „Frau Du, sie werden das Jahr 2014 nicht überleben !“

Nach diesem Gespräch verkündet Du Wei zuversichtlich: „Die haben sich alle geirrt. Das sind nur innere Geschwüre, unter denen schon mein Vater gelitten hat.“

Weil sie wegen der unerträglichen Schmerzen in ihrem rechten Bein kaum noch laufen kann, bringt die tägliche Einnahme von starken Antibiotika ihr wesentliche Linderung, so dass sie relativ rasch wieder laufen kann. Und doch weiß Du Wei in ihrem tiefsten Inneren, dass ihr nur noch eine geringe Lebens-spanne vergönnt ist. Sie unterdrückt dieses dumpfe Gefühl des Ausgeliefertseins und mit beispielloser inneren Stärke zeigt sie nach aussen hin Zuversicht, um ihrem Freund seine quälende Besorgnis zu nehmen. Diese innere Stärke zeichnet Du Wei in ganz besonderem Maße als einen willensstarken und selbstdisziplinierten Menschen aus, der noch in der Gewissheit des Todes eine übermenschliche Tapferkeit zeigt, die nur ganz besonderen Menschen zu eigen ist. Diese durch ihre wechselnden Gefühle von Zuversicht, Melancholie, banger Hoffnung und schreckliche Angst vor dem Tod wechselnden Phasen erklingen in mehr oder weniger schneller Abfolge aufeinander bis zum Ende des ersten Satzes.

 

1. Satz – Lento Espressivo a-Moll

Der erste Satz beginnt mit tragender Melodie, die Ruhe und Persönlichkeit ausstrahlt (Takt eins bis Takt 36). Auch die nächsten Takte sind von Zuversicht durchdrungen. Die Takte 37-50 strahlen noch eine verhaltene Zuversicht aus. Aber bald zwingt ihre innere Unruhe sie in eine Ahnung von drohendem Unheil (Takt 51 bis Takt 116).

Takt 117 bis Takt 135: Du Wei ahnt klar ihre nur noch kurze Zukunft auf dieser Welt. Ein Trauermarsch beginnt, der ihre schicksalhafte Ergebenheit in die unausweichliche Zukunft dokumentiert. Ab Takt 137 dringt überdeutlich ihre Ahnung von ihrem nahen Ende in die Tonfolgen ein.

Eine Melodie in Folge ab Takt 137 schneidet gleichsam von Alarmsirenen animiert in ihre Musik. Das eigene Ende ahnend schreibt Du Wei ihre eigene Trauermusik, durchsetzt mit Angst und trauriger Passivität, wie ein feierlicher Kirchenchoral, der an sie erinnern soll.

 

2. Satz – Moderato in d-Moll

Zu Beginn (ab Takt 157) kann man die Grundstimmung von verhaltener Zuversicht heraushören. Aber bald durchzieht auch eine hintergründige Angst von Du Wei vor der ungewissen Zukunft die weiteren Melodienfolgen. Aber ihr tapferer Wille, die Zeit bis zum bitteren Ende durchzustehen, klingt trotzig hervor. Dann jedoch wird der stechende Schmerz übermächtig. Von Angst und Panik ergriffen lässt Du Wei dies in den Takten 254-271 erkennen und gleichsam Alarmsignalen herausschreiend nach Abklingen der Schmerzen durchzieht wieder ein Hoffnungsschimmer ihr Gemüt. Doch sie wähnt sich nicht allein. Sie hofft auf die Hilfe ihres Freundes (Takt 272 bis Takt 292).

 

  1. Satz – Moderato in a-Moll

Takt 234 bis Takt 459: Die Panik von Du Wei über ihre unheilbar schwere Erkrankung ist einem stillen, fast schon fatalistischem Leiden gewichen. In einer stählernen Selbstdisziplin hat sie beschlossen, ihre Todesahnung gegenüber ihrem Freund zu verschweigen, ihn nicht zu beunruhigen. Doch dieser weiß schon längst, wie es um seine Freundin steht. Dann brechen die Alarmsirenen brutal ein. Sie fühlt sich so krank und hilflos, dass sie den Widerstand aufgibt und sich von ihrem Freund in die Notaufnahme bringen lässt (Takt 460 bis Takt 473).

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus schreibt Du Wei die Symphonie zu Ende. Es geht ihr bedeutend besser. Aus den Takten 475-560 lässt sich wieder ein gewisser Lebensmut und vorsichtiger Optimismus heraushören.

 

Sinfonie Nr. 12 a-Moll

 

  1. Satz– Lento Espressivo a-Moll------10´52”

 

  1. Satz– Moderato d-Moll------------------3´24”

 

  1. Satz– Moderato a-Moll------------------8´54”

 

Du Wei Sinf Nr 12 a-Moll- 3. Satz - Moderato.mp3

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